Das Paket klimafreundlich versenden, den Flug nachhaltiger buchen – konsumieren ohne schlechtes Gewissen: CO2-Emissionen zu kompensieren ist schnell erledigt und beruhigt das Gewissen. Doch können wir so wirklich was fürs Klima tun?
Und so funktioniert der Ablasshandel: Private Dienstleister bieten an, entstandene CO2-Emissionen auszugleichen. Dafür verlangen sie eine Spende und stecken diese in Klimaschutzprojekte. Am bekanntesten ist das Pflanzen von Bäumen. Solche Programme gibt es weltweit. Doch so gut ihre Versprechen auch sind, die Bäume müssen erst mal wachsen, um CO2 speichern zu können.
Rico Fischer, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ):
»Bis wir die Effekte von Aufforstung sehen, kann es viele Jahrzehnte dauern, teilweise 100 Jahre dauern, bis ein Wald wieder komplett hochgewachsen ist und ungefähr die Struktur eines ausgewachsenen Waldes erreichen kann. Es wäre natürlich viel effektiver, wenn wir vorher versuchen würden, die Entwaldung zu stoppen und damit auch die Emissionen.«
1990 bis 2020 wurden weltweit etwa 420 Millionen Hektar Wald gerodet, schätzt die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen FAO.
Die Gründe hierfür sind unterschiedlich, in Südamerika liegen sie vor allem in industrieller Landwirtschaft. Die gerodeten Flächen werden größtenteils für die Produktion von Ölpalmen und Sojabohnen oder für Rinderherden genutzt.
Das Problem ist also:
Rico Fischer, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung:
»Obwohl aufgeforstet wird, wird immer noch mehr Wald abgeholzt, sodass wir noch netto gesehen mehr Wald verlieren, als wir durch Aufforstung gewinnen.«
Besonders der Amazonas-Regenwald, der größte der Erde, ist bedroht: Von Januar bis Mai dieses Jahres wurden im brasilianischen Teil rund 2.000 Quadratkilometer Regenwald zerstört, so das staatliche Beobachtungsprogramm Deter.
Dabei hat der Regenwald wichtige Funktionen: Er sorgt für Niederschläge sowie den Erhalt der Artenvielfalt. Und die Bäume binden bei der Photosynthese CO2.
Luiz Inácio Lula da Silva, Präsident von Brasilien:
»Brasilien ist vor allem wegen des Amazonas-Regenwaldes maßgeblich für das Klimagleichgewicht in der Welt verantwortlich. Deshalb ist das Stoppen der Abholzung im Amazonasgebiet auch ein Weg, die globale Erwärmung zu reduzieren.«
Präsident Lula hat Anfang Juni einen Plan zum Schutz der Amazonasgebiete vorgestellt. Dieser sieht unter anderem höhere Strafen für illegale Abholzung und eine stärkere Überwachung mithilfe von Geheimdienstinformationen und Satellitenbildern vor. Außerdem sollen die Hälfte aller illegal genutzten Flächen innerhalb von Schutzgebieten sofort beschlagnahmt und drei Millionen Hektar zusätzliche Schutzgebiete bis 2027 ausgewiesen werden.
Schützen und aufforsten, das wollen Initiativen wie die Black Jaguar Foundation. Ihr langfristiges Ziel: In den kommenden 20 Jahren 3,7 Milliarden Dollar in den Regenwald stecken, um entlang des Flusses Rio Araguaia Bäume zu pflanzen – bislang kam durch Firmen- und Privatspenden allerdings erst ein Bruchteil der Summe zusammen.
Fehlendes Geld ist nicht das einzige Problem. Vor Ort hat die NGO mit praktischen Herausforderungen zu kämpfen. Viele Bauern, die ihren Lebensunterhalt im Regenwald-Gebiet verdienen, fürchten, dass sie von Umweltgruppen aus dem Wald vertrieben werden.
Ben Valk, Gründer der »Black Jaguar Foundation«:
»Wir brauchen das Vertrauen der Landwirte und der lokalen Gemeinschaften. Die andere Herausforderung besteht darin, dass wir die Infrastruktur oft selbst aufbauen müssen, weil sie nicht vorhanden ist. Es gibt keinen Strom, es gibt keine Brücken in unseren Gebieten. In vielen Fällen müssen wir durch das Farm-Gebiet eine Straße bauen, um das Schutzgebiet zu erreichen und einen Teil des Landes wiederherzustellen.«
Und: Der Aufwand, Flächen aufzuforsten, ist hoch. Dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten.
Rico Fischer, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung:
»Das macht man zum einen entweder mit Samen, dass man da ganz viele Samen sät, da ist der Aufwand noch so mittelhoch, kostet aber auch schon bis zu 2.000 Euro pro Hektar. Oder man setzt wirklich neue Bäume ein, also das Pflanzen von Setzlingen. Das ist sehr, sehr zeitaufwendig und auch sehr teuer. Ungefähr so 5.000 Euro pro Hektar und auch nur ungefähr die Hälfte der Bäume überlebt.«
Die Arbeit kann allerdings schnell zunichtegemacht werden. Das ist auch einer der Gründe, warum die bekannte Initiative »atmosfair« keine Waldprojekte unterstützt. Eine dauerhafte CO2-Bindung könne nicht garantiert werden, schreibt das Unternehmen auf seiner Webseite.
Sollten wir CO2-Emissionen für Reisen, Pakete und Co. also kompensieren? Aufforstungsprojekte, insbesondere groß angelegte, helfen dabei, gerodete Flächen wiederherzustellen. Denn der Wald als »grüne Lunge der Erde« ist nicht nur symbolisch, sondern für den Klimaschutz von zentraler Bedeutung. Jahrtausende-alte Wälder können sie jedoch nicht ersetzen. Für Umweltforscher Rico Fischer ist Vermeiden immer besser als Ausgleichen, denn das sei der beste Schutz für unsere Wälder.