Trockenes Feld
ORF.at/Carina Kainz
Gesetz gestoppt

Formalfehler kippt Glyphosatverbot

Ein Verbot des umstrittenen Herbizids Glyphosat ist unter viel Beifall im Sommer beschlossen worden, in Kraft tritt es nun aber nicht. Grund ist ein formaler Fehler. Die EU hätte rechtzeitig über das Gesetz informiert werden müssen, Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein sind daher laut eigenen Worten für den quasi letzten Akt vor Inkrafttreten die Hände gebunden. Das sorgt für scharfe Kritik.

Das Glyphosatverbot war Anfang Juli, bereits nach dem Platzen der ÖVP-FPÖ-Koalition, mit den Stimmen von SPÖ, FPÖ, NEOS und JETZT beschlossen worden. Nun wird es von Bierlein nicht kundgemacht, wie das im Gesetzgebungsverfahren vorgesehen ist, und kann somit nicht wie geplant mit 1. Jänner in Kraft treten. Es hätte der EU im Voraus und rechtzeitig zur „Notifizierung“, der Möglichkeit zur Stellungnahme, übermittelt werden müssen, was aber nicht passierte.

In einem Brief an Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) schrieb Bierlein nun, dass für derartige Rechtsvorschriften „zwingend ein Informationsverfahren“ vorgeschrieben ist. Der Entwurf des Gesetzes hätte daher der EU vorgelegt werden müssen, „damit diese und die Mitgliedsstaaten Stellung nehmen können“. Erst danach hätte die Vorschrift beschlossen werden können. Diese – rechtlich ausdrücklich geforderte – „Notifizierung eines Entwurfes wurde jedoch nicht ordnungsgemäß durchgeführt“, so die Bundeskanzlerin.

Frist versäumt: „Ausschließlich“ formale Entscheidung

Das habe auch die EU-Kommission bereits beanstandet, so Bierlein. „Die Europäische Union hat auf die daraus folgenden Möglichkeiten eines Strafverletzungsverfahrens hingewiesen.“ Die EU- Kommission hatte das Verbot bis zum Ablaufen der Frist am 29. November zwar nicht dezidiert untersagt, aber eben die fehlende Notifizierung beanstandet.

Sowohl der Verfassungsdienst im Justizministerium als auch der Rechtsdienst des Bundeskanzleramts (BKA) kamen nun in einem gemeinsamen Gutachten zum Ergebnis, dass die Bundeskanzlerin von einer Kundmachung absieht. „Ich darf betonen, dass es sich ausschließlich um eine formaljuristische Entscheidung und nicht um eine inhaltliche Wertung der Novelle handelt“, betonte sie.

Rechtliche Unsicherheiten

Das Umweltministerium zeigte sich bereits nach Ablauf der Frist abwartend und warnte auch vor einer inhaltlichen Rechtsunsicherheit. Denn ein „nationaler Alleingang“ ist nur unter mindestens einer von zwei Bedingungen durchführbar. Es müssten neue wissenschaftliche Erkenntnisse vorgelegt werden, die bei der EU-weiten Zulassung von Glyphosat 2017 nicht bekannt waren, oder es müssten spezielle Probleme etwa für Umwelt und Gesundheit nachgewiesen werden, die es nur in Österreich, aber in keinem anderen EU-Staat gibt. Beide Fälle liegen nicht vor.

Außerdem war das Bundesland Kärnten bereits mit dem Versuch, ein Totalverbot einzuführen, bei der Kommission abgeblitzt. Für die Entscheidung der Bundeskanzlerin waren diese inhaltlichen Fragen aber nicht relevant. Hier zählten rein die formalen Fragen.

SPÖ will sofort neuen Antrag

Die SPÖ, von der die Initiative ausgegangen war, kündigte am Montag an, dass man bereits bei der nächsten Nationalratssitzung am Mittwoch erneut einen Antrag auf ein Glyphosatverbot einbringen werde. „Die SPÖ wird dranbleiben und die rasche Umsetzung eines Verbots vorantreiben. Es kann nicht sein, dass der mehrheitliche Wille der Bevölkerung und des Parlaments aufgrund von politischem Hickhack missachtet wird“, sagte der stellvertretende Klubvorsitzende Jörg Leichtfried.

Die nunmehrige Nichtkundmachung durch Bierlein ist für Leichtfried „unverständlich“. Die „angekündigte Vorgangsweise entspricht in keiner Weise der Staatspraxis und ist als völlig überschießend zu bezeichnen. Nicht die österreichische Bundeskanzlerin kann die EU-Konformität dieses Gesetzesbeschlusses prüfen“, sondern allein der dafür zuständige Europäische Gerichtshof (EuGH), so Leichtfried in einer Aussendung, der Bierlein scharf kritisierte. Die Bundeskanzlerin maße sich „die Kompetenz an, darüber zu entscheiden, ob ein Bundesgesetz verfassungswidrig oder europarechtswidrig zustande gekommen ist“. Das stehe ihr gemäß der Bundesverfassung aber in „keiner Weise“ zu.

Für FPÖ „fahler Beigeschmack“

Die FPÖ sprach von einem „fahlen Beigeschmack“. Die Entscheidung erscheine unverständlich, „zumal die EU-Konformität eines Gesetzesbeschlusses erst im Zuge eines allfälligen Vertragsverletzungsverfahrens durch den EuGH zu prüfen wäre“, sagte Klubobmann Herbert Kickl.

„Es scheint, als hätte die ÖVP ein Formalargument der EU dafür missbraucht, ein Gesetz, das sie partout nicht haben will, zu hintertreiben. Die geforderte Notifikation vor einer Kundmachung wurde ja schließlich nachgeholt“, so der Klubobmann. Inhaltlich stehe die FPÖ zum beschlossenen nationalen Glyphosatverbot ab 1. Jänner 2020. „Sollten wir aber im Parlament tatsächlich einen neuen Anlauf brauchen, muss das so umgesetzt werden, dass jedwede formale Sabotagemöglichkeit von vornherein ausgeschlossen wird.“

Für Greenpeace „Verrat“ an Demokratie und Umwelt

Kritik kam auch von der Umweltschutzorganisation Greenpeace. Das Parlament habe im Sommer „mehrheitlich und demokratisch“ das Verbot „des wahrscheinlich krebserregenden Pflanzengifts Glyphosat“ beschlossen, die EU-Kommission hätte das Gesetz per Einspruch „stoppen können – hat dies aber nicht getan“. Somit könne es – Greenpeace verwies dabei auch auf ein Rechtsgutachten – im Jänner in Kraft treten.

Die Umweltschutzorganisation stellte auch den Verdacht in den Raum, es könnte Druck seitens der Hersteller und Landwirtschaft geben. Alles andere als ein Verbot wäre jedenfalls „Verrat“ an Demokratie und Umwelt. Gegenüber ORF.at unterstrich Greenpeace, man sehe die Situation rechtlich anders, es liege kein Formalfehler vor, und daher könne das Verbot des Herbizids in Kraft treten.

Landwirtschaftskammer sieht sich betätigt

In ihrer Sicht der Dinge bestätigt sah sich am Montag die Landwirtschaftskammer (LK) Österreich. Sie betonte, auf einen Verstoß gegen die Notifizierungsrichtlinie hingewiesen zu haben – Bierlein habe darauf hingewiesen, dass das Gesetz nicht in Kraft treten könne. „Damit hat sich gezeigt, dass der Rechtsstaat funktioniert und sich dankenswerterweise das Rechtsverständnis der Landwirtschaftskammer“ bestätige.

Die Kammer betonte weiters, „dass das Gesetz nicht nur die besagten formalen Mängel aufweist, sondern es eine Reihe guter Argumente gibt, die gegen so ein Verbot sprechen“. Es müsse – im Fall eines Alleingangs – etwa auch sicher sein, dass „sämtliche nach Österreich importierten Lebensmittel unter Garantie ohne Glyphosat erzeugt worden sind“. Alles andere wäre „scheinheilig“.