Der Bund bezahlt drei Millionen Franken für eine neue Stiftung, die Nestlé nahestehen soll

Der Bundesrat hat eine neue diplomatische Stiftung gegründet, die er grosszügig finanzieren will. Parlamentarier äusserten sich kritisch – unter anderem, weil der Präsident der Stiftung jahrelang an der Spitze von Nestlé gestanden hat. Trotzdem spricht der Nationalrat nun Geld für das Projekt.

Larissa Rhyn
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Die Stiftung wird von zwei Männern geleitet, die Verbindungen zu Nestlé haben: Präsident Peter Brabeck-Letmathe (Mitte) zusammen mit Vizepräsident Patrick Aebischer (links) und Bundesrat Ignazio Cassis bei einer Medienkonferenz in Bern.(Bild: Peter Klaunzer / Keystone)

Die Stiftung wird von zwei Männern geleitet, die Verbindungen zu Nestlé haben: Präsident Peter Brabeck-Letmathe (Mitte) zusammen mit Vizepräsident Patrick Aebischer (links) und Bundesrat Ignazio Cassis bei einer Medienkonferenz in Bern.(Bild: Peter Klaunzer / Keystone)

Künstliche Intelligenz oder Gentechnik: In diesen Bereichen geht die Entwicklung so schnell voran, dass einem angst und bange werden kann. Und die Regulierung dieser Technologien hinkt oft hinterher. Hier soll eine neue Genfer Stiftung ansetzen, indem sie Entwicklungen voraussieht und vorschlägt, wie die Schweiz und die internationale Gemeinschaft ihnen begegnen sollen.

Die Stiftung wurde im Februar vom Bundesrat und vom Kanton Genf gegründet. Der Bund will sie in den nächsten Jahren mit 3 Millionen Franken unterstützen, doch dem muss das Parlament erst zustimmen. Am Donnerstag hat der Nationalrat darüber debattiert – im Rahmen eines Bundesbeschlusses, der die Rolle der Schweiz als Gaststaat für Internationale Organisationen stärken will. Im Vorfeld gab es zwei grosse Kritikpunkte: Die Stiftung stehe dem Konzern Nestlé zu nahe und ihre Aufgaben seien zu wenig klar definiert.

Der Bundesrat bezeichnete das Projekt selbst als zu wenig konkret

Um zu erfahren, was die Stiftung mit dem komplizierten Namen Geneva Science and Diplomacy Anticipator (Gesda) genau macht, fragte SP-Nationalrat Fabian Molina beim Bundesrat nach. Dieser blieb in seinen Erklärungen vage. Gesda solle die «interdisziplinäre Zusammenarbeit stärken» und eine «Innovationsplattform» sein. Gleichzeitig steckte er die Ziele der Stiftung hoch: Sie soll nicht weniger als «die Themen der Weltordnungspolitikagenda von morgen» voraussehen.

Dass die Regierung so knapp informiert hat, ist verwunderlich. Denn sie hatte das Projekt zuerst selbst nicht bewilligt – mit der Begründung, es sei zu wenig konkret. Danach forderte sie weitere Informationen, wodurch sich das Projekt, das eigentlich schon 2018 hätte starten sollen, verzögerte. Anfang 2019 stimmte der Bundesrat der Gründung von Gesda dann doch zu – obwohl die Aufgaben der Stiftung scheinbar weiterhin nur vage definiert sind.

Eine parteipolitische Personalie?

Zusätzlich griff der Bundesrat vor der Gründung bei einer Personalie ein. Ursprünglich war der ehemalige FDP-Präsident Fulvio Pelli als Präsident vorgesehen. Er hatte das Konzept für die Stiftung zusammen mit einer Arbeitsgruppe entwickelt – über mehrere Jahre hinweg. Vor der offiziellen Gründung wurde ihm seine Rolle jedoch entzogen.

Er hat das Konzept der Stiftung ausgearbeitet: Fulvio Pelli, Ex-Nationalrat und früherer FDP-Präsident. (Bild: Karl Mathis / Keystone)

Er hat das Konzept der Stiftung ausgearbeitet: Fulvio Pelli, Ex-Nationalrat und früherer FDP-Präsident. (Bild: Karl Mathis / Keystone)

«Der Bundesrat wollte lieber jemanden, der international vernetzt ist und viele Kontakte in Genf hat», sagt Pelli auf Anfrage. Er habe dafür Verständnis, sagt er diplomatisch – wichtig sei ihm, dass das Projekt nun endlich aufgegleist werden könne. Doch dem ehemaligen Nationalrat könnte noch etwas anderes zum Verhängnis geworden sein: seine Parteizugehörigkeit. Denn Kritiker hatten moniert, es handle sich um ein reines FDP-Projekt. Lanciert wurde es von FDP-Bundesrat Burkhalter, der seinen Parteikollegen Pelli mit der Ausarbeitung beauftragt hat. Derzeit wird es von Burkhalters Nachfolger Ignazio Cassis betreut.

Statt Pelli hat der Bundesrat den ehemaligen Nestlé-Präsidenten Peter Brabeck-Letmathe an die Spitze der Stiftung gesetzt. Das Aussendepartement schreibt auf Anfrage, Brabeck könne der Stiftung als «international anerkannte und erfahrene Autorität» die «erforderliche Wirkung auf globaler Ebene» verschaffen. Als Vizepräsident der Stiftung setzte er Patrick Aebischer ein, der ebenfalls Verbindungen zum Konzern hat – er sass im Verwaltungsrat von Nestlé Health Science. Linke Parlamentarier kritisierten deshalb, die Stiftung sei zu sehr mit Nestlé verbandelt.

Für die Präsidentin der Aussenpolitischen Kommission, Elisabeth Schneider-Schneiter (cvp.), ist diese Kritik unverständlich. «Kooperationen zwischen der Wirtschaft und dem öffentlichen Sektor werden immer wichtiger, auch in der internationalen Zusammenarbeit», sagt sie. Zudem seien Brabecks Kontakte zur Wirtschaft zentral, weil der Bund nur einen kleinen Teil des Gesda-Budgets übernehme. Der Rest müsse privat finanziert werden.

Kurzfristig neue Köpfe an der Spitze der Stiftung

SP-Nationalrat Molina wollte die 3 Millionen Franken für die Stiftung aus dem Bundesbeschluss streichen. Er und weitere Parlamentarier forderten, dass der Bundesrat eine separate Botschaft vorlegt, in der die Aufgaben von Gesda klar definiert werden. In der Aussenpolitischen Kommission wurde der Antrag zwar abgelehnt, aber nur knapp – mit 9 zu 7 Stimmen bei 9 Enthaltungen. Damit blieb unklar, ob Molinas Antrag im Rat eine Chance haben würde.

Zwar gab es nach dem Kommissionsentscheid kaum zusätzliche Informationen zur Stiftung, doch es kamen kurzfristig zwei neue Köpfe dazu: «Wenige Tage vor der Abstimmung im Rat hat man uns informiert, dass auch Altbundesrätin Micheline Calmy-Rey am Projekt beteiligt sein wird», sagt SP-Nationalrat Carlo Sommaruga. Zudem wurde Matthias Egger, der Präsident des nationalen Forschungsfonds, in den Stiftungsrat gewählt. Damit dürfte das Aussendepartement den Kritikern den Wind aus den Segeln genommen haben. Molinas Einzelantrag wurde im Rat mit 135 zu 44 Stimmen abgelehnt.

Der Rest des Bundesbeschlusses zur Rolle der Schweiz als Gaststaat internationaler Organisationen von 2020 bis 2023, für den insgesamt 111 Millionen Franken veranschlagt sind, war im Nationalrat weitgehend unbestritten. Weder die Vorschläge für Budgeterhöhungen im Bereich der Kommunikation oder für NGO noch die Forderung nach einer Reduktion des Budgets um rund 10 Millionen Franken hatten eine Chance. Das Geschäft geht nun an den Ständerat.

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