"Und am Schluss trägt Deutschland den Sieg davon", twitterte am Dienstagabend ein Umweltjournalist aus Paris nach der überraschenden Entscheidung der EU-Staaten zu Glyphosat. Nach schier endlosem Ringen hatte sich doch noch eine knappe Mehrheit gefunden, um die Zulassung um fünf Jahre zu verlängern. Das meistverkaufte Herbizid ist wegen seiner Risiken für Gesundheit und Umwelt umstritten, deshalb hatte Frankreich gegen die Wiederzulassung gestimmt. Tatsächlich hing die Entscheidung am Votum des deutschen Vertreters. Der hatte sich bei allen vorherigen Abstimmungen enthalten, weil sich Agrarminister und Umweltministerin in Berlin nicht einig waren. Christian Schmidt (CSU) setzte sich nun überraschend über die Bedenken von Barbara Hendricks (SPD) hinweg.

Gewiss, beim Chemiekonzern Bayer dürften die Manager nun erleichtert sein. Das Votum der EU räumt ein hohes Hindernis für die Fusion mit dem Chemieriesen Monsanto aus dem Weg. Dessen weltweit vermarktete Gentechnikprodukte sind zu einem großen Teil auf Glyphosat angewiesen. Auch Syngenta und eine Vielzahl anderer Hersteller können das Spritzmittel erst einmal weiter vermarkten. Erleichtert wirkte zudem der Bauernverband – auch wenn er nörgelte, ihm sei die Zeitspanne für die Wiederzulassung zu kurz.

Jenseits dieser Profiteure jedoch verursacht der Alleingang des Agrarministers einen enormen politischen Flurschaden. Und das nicht nur, weil Grüne, Umweltschützer und eine Mehrheit der Verbraucher enttäuscht aufschreien, sondern aus mindestens zwei weiteren, gewichtigen Gründen.

Erstens hat Christian Schmidts Coup der großen Koalition erheblich geschadet. Es ist kein kleiner stilistischer Fauxpas, sondern ein verantwortungsloser Umgang mit Institutionen, wenn der CSU-Mann die Regeln einer spannungsreichen Koalition missachtet. Die besagen klipp und klar: Sind wir uns im Kabinett bei einem Europa-Thema nicht einig, dann enthalten wir uns in Brüssel der Stimme. Die SPD-Umweltministerin hatte vertretbare Gründe, ein Gift abzulehnen, das der Artenvielfalt schadet und dessen Potenzial, Krebs zu erregen, nicht endgültig geklärt ist. Noch wenige Stunden vor der Sitzung des Brüsseler Vermittlungsausschusses bekräftigte Barbara Hendricks ihre Einschätzung, dass ihr auch die Auflagen nicht ausreichend erschienen. Sie und ihre Parteikollegen haben recht, wenn sie das Verhalten des CSU-Politikers als unzumutbaren Vertrauensbruch kritisieren.

Christian Schmidt mag sich als Held sehen, der in letzter Minute die Handlungsfähigkeit der EU gerettet hat. Der zuständige EU-Kommissar, dem im Fall einer erneuten Blockade die entscheidende Stimme zugefallen wäre, hätte ohnehin genauso entschieden – aber dann ohne Restriktionen für den Einsatz des Totalherbizids, verteidigte sich der Minister. Er habe nun Auflagen für den privaten Gebrauch ebenso wie für den Artenschutz durchsetzen können. Tatsächlich deckt sich der EU-Kompromiss auch weitgehend mit dem, was das EU-Parlament im Oktober vorgeschlagen hat.